
Robotik und vorausschauende Wartung
- On 6. September 2021
Zwei „Industrie 4.0“-Technologien mit großem Potenzial für die wirtschaftliche Erholung im Fokus der „hub:disrupt“ 2021
Mit der Robotik und der vorausschauenden Wartung fokussiert sich die hub:disrupt am 6. Oktober 2021 auf zwei Technologien, die besonderes Potenzial für die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie versprechen: Beide gehören zum Wesenskern der „Industrie 4.0“, beide bieten erhebliche Möglichkeiten, Kosten zu sparen und neue Geschäftsmodelle zu generieren. Speziell mit der noch jungen „Predictive Maintenance“ (PM) können Unternehmen in erheblichen Maße Wartungs- und Reparaturkosten sparen, wenn sie Anomalien und den tatsächlichen Verschleißzustand ihre Anlagen durch moderne Sensorik und Analyseelektronik überwachen lassen.
Derweil zeigen sich zwischen Robotik und PM immer mehr Andockstellen. Das hat sich auch in der vom Dresdner Smart Systems Hub koordinierten Digital Product Factory gezeigt, deren Netzwerk-Projekte unter anderem auf eine neue Mietrobotik zielen. Die dort verfolgten Ansätze, die PM-Technologien zu einer vorausschauenden Leistung und Wartung („Predictive Performance and Maintenance“) auszubauen, eröffnen „auch für kleinere und mittlere Unternehmen neue Vertriebs- und Mietmodelle“, betont Mathias Kaldenhoff von SAP Deutschland.
Viele Schnittmengen sieht auch Georg Püschel, einer der Gründer des Dresdner Robotik-Unternehmens Wandelbots: „Roboter produzieren viele Daten, die für Predictive Maintenance verwendet werden können“, sagt er. „Die vielen beweglichen Teile müssen überwacht werden, um Produktionsausfälle vorzubeugen, Überbelastung zu vermeiden und Produktionstakte zu optimieren“. Wenn daraus ein Geschäftskonzept entstehe, in dem „Robots-as-a-Service“ nur noch nutzungsabhängig honoriert werden, wäre dies „ein interessantes Modell, um die Einstiegskosten in die Robotik zu verringern und den Zugang für kleine und mittelständische Unternehmen zu verbessern“.
© VDMA Robotik + Automation
Zweistellige Wachstumsraten in den nächsten Jahren zu erwarten
Und die Zeichen in beiden Sektoren stehen auf Wachstum. Für die deutsche Robotik- und Automatisierungsbranche prognostiziert der VDMA-Fachverband „Robotik + Automation“ für 2021 ein Umsatzwachstum um elf Prozent auf 13,4 Milliarden Euro. Ähnliche Zuwächse erwartet die „International Federation of Robotics“ (IFR) aus Frankfurt auch für die globalen Robotermärkte.
Für den PM-Markt, der weniger trennscharf abgrenzbar ist, kalkuliert „IoT Analytics“ das globale Volumen derzeit auf etwa 5,9 Milliarden Euro – bei jährlichen Wachstumsraten von fast 40 Prozent. Die Analysten von „QYResearch“ schätzen die aktuellen Umsätze für 2021 auf zirka sechs Milliarden Euro und rechnen mit jährlichen Raten um die 29 Prozent. „Markets and Markets“ rechnet mit einer Verdreifachung des PM-Weltmarktes von jetzt 3,4 Milliarden Euro auf etwa zehn Milliarden Euro im Jahr 2025.
In Fabrikhallen müssen Co-Bots mit Menschen rechnen – und auf sie reagieren © Neura Robotics
Robotik-Trends: Cobotik, autonome Fabrik- und Feldroboter
Als Trendthemen in der Cobotik gelten derzeit autonome Feldroboter, Montageroboter für die preiswerte Massenproduktion von Brennstoffzellen, Batterien und Solarmodulen in Hochlohnländern sowie autonome mobile Roboter (AMR) in intelligenten Fabriken. Starkes Wachstum ist in der kollaborativen Robotik (Cobotik) zu erwarten, die bisher eher ein Nischenmarkt war. Hier halten Analysten 20 Prozent Zuwachs pro Jahr für realistisch, „QY Research“ geht gar von über 50 Prozent aus.
Eine starke Triebfeder für den Robotikmarkt ist derzeit der Versuch vieler Staaten, durch massiven Robotereinsatz mehr Wertschöpfung von Asien nach Europa zurückzuholen. Damit reagieren die Europäer auf die Erfahrungen in der Corona-Krise, Donald Trumps Handelskriege, den Suezkanal-Vorfall, die jüngsten Chip-Engpässe in der Autoindustrie und andere empfindliche Störungen der globalen Lieferketten. Starke Nachfrage kommt auch aus China, das im Zuge seiner „Made in China 2025“-Strategie und verstärkter Autarkiebemühungen erheblich in Roboterinstallationen investiert. Laut IFR stieg der Robotereinsatz dort bereits im Corona-Jahr 2020 um 19 Prozent.
Anschaffungskosten für Roboter werden drastisch sinken
Von diesen starken Impulsen im Robotikmarkt können gerade auch kleine Betriebe stärker profitieren als früher. Wandelbots zum Beispiel sieht in KMUs besonders viel Potenzial für Roboter, „da dort viele Anwendungen vorhanden sind, die noch manuell durchgeführt werden, weil der Zugang zu Robotern fehlt“, schätzt Georg Püschel ein. Die Kosten für Anschaffung und die Komplexität für die Programmierung der Roboter werden so sinken, dass auch ein holzverarbeitender Betrieb und ein Stahlbau damit etwas anfangen kann.“
Andererseits ist Robotik ein Schlüssel für die Standortsicherung. Infineon Dresden beispielsweise hat gemeinsam mit sächsischen Robotik-Spezialisten wie Fabmatics seine 200-Millimeter-Chipfabrikmodule aus den 1990er Jahren soweit nachgerüstet, dass sie inzwischen nahezu auf die Automatisierungsgrade einer neuen 300-mm-Fabrik kommen. „Heute können wir ganz klar sagen: Diese Nachautomatisierung hat sich sehr positiv auf den Standort ausgewirkt und unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert“, betont Infineon-Projektbetreuer Harald Heinrich. In der nächsten Stufe will das Unternehmen künftig auch „Predictive Maintenance„-Konzepte erproben.
„Predictive Maintenance“ kann ein Drittel der Wartungskosten sparen
Expertin Anja Vedder vom Berliner Unternehmen „Industrial Analytics“, das auf „Artificial Intelligence (AI) und das „Internet of Things“ (IoT) spezialisiert ist, sieht in der vorausschauenden Wartung viel ungenutztes Potenzial – gerade in Deutschland, das dabei noch etwas hinterher hinke.
„In den nächsten Jahren ist einem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich zu rechnen“, betonte sie unter Verweis auf eine Studie, die „Roland Berger“ 2017 im Auftrag des „Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ (VDMA) erstellt hatte.
Anja Vedder
© Industrial Analytics
An jedem geförderten Technologiebereich und Großunternehmen hängen schließlich Hunderte kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Kunden- und Lieferantenbeziehungen sorgen zwangsläufig zur Umverteilung der Fördermillionen und -milliarden. Arbeitsplätze entstehen. Steuern werden gezahlt. Die Wirtschaft wächst und mit ihr der Wohlstand in der Region. Nicht umsonst wuchs Sachsens Mikroelektronik- und IKT-Branche in den vergangenen zehn Jahren von 45.000 auf über 70.000 Beschäftigte. Nicht zuletzt profitieren jene Unternehmen, die Chips verbauen. Nähe zum Notwendigen schadet schließlich nie.
Ein weiterer wichtiger Punkt abseits der positiven wirtschaftlichen Entwicklung und sicheren Lieferketten sind kurze Lieferwege, die hohen Standards unterworfenen Produktionsbedingungen und damit ein besserer Umwelt- und Klimaschutz. Bauteile von wenigen Euro oder sogar Cent um den halben Planeten zu befördern, kann nicht die Zukunft sein. In Zeiten einer zu Recht aufbegehrenden Jugend- und Klimabewegung gilt es Technologien ressourcen- und energieschonend zu produzieren. Denn was nützen Bekenntnisse zur CO2-Neutralität, wenn große Teile entscheidender Technologien am anderen Ende der Welt unter weniger optimalen Bedingungen und auf dem Rücken der Umwelt produziert werden?
© GLOBALFOUNDRIES Dresden
Ein Beispiel dafür ist eine Lösung, die „Globalfoundries“ Dresden mit Partnern in der „Digital Product Factory“ des „Smart Systems Hub“ für seine Reinstwasser-Versorgung realisierte: Mit Sensorplattformen der Firma „Sensry“ rüstete das Entwickler-Netzwerk die Reinstwasser-Ventile der Chipfabrik „Industrie 4.0“-tauglich auf. Die Dresdner Softwareschmiede „Coderitter“ programmierten dann Machine-Learning-Algorithmen, mit denen die Künstliche Intelligenz in einer „Edge Cloud“ anhand detektierter Geräuschen den tatsächlichen Ventilzustand erkennen kann. Ein Dashboard von „T-Systems MMS“ bereitet die Analyseergebnisse dann für die Globalfoundries-Ingenieure auf, um die richtigen Zeitpunkte für Wartung, Reparatur oder Austausch der Ventile zu finden. Das spart Geld und erhöht die Ausfallsicherheit in Europas größter Chipfabrik. Auch Ionen-Implanter im Reinraum überwacht das Unternehmen inzwischen vorausschauend.
„Bezogen auf die reinen Instandhaltungskosten sehen wir Vorteile von bis zu 20 Prozent gegenüber der klassischen vorbeugenden Instandhaltung mit festgelegten Intervallen“, berichtet der leitende Ingenieur Axel Preusse von Globalfoundries. „Die Reduzierung ungeplanter Ausfälle und damit einhergehender Schäden bringt weitere Vorteile“. Deshalb wollen die Halbleiter-Experten ihre PM-Technologien nun verbessern und breiter einsetzen. Dank Künstlicher Intelligenz werde es künftig möglich sein, auch komplexe Systeme vorausschauend zu planen – ähnlich wie es die Kollegen von Bosch in ihrer neuen Dresdner Chipfabrik gerade vorbereiten. „Die Kombination mit digitalen Assistenzsystemen wird neben der reinen Vorhersage eines Ausfalls auch die passenden Korrekturmaßnahmen liefern können“, ist Ingenieur Preusse überzeugt. „Hierzu wollen wir in den kommenden Monaten erste Schritte gehen.“
Vorausschauende Wartung hilft auch beim Umweltschutz
Anja Vedder rechnet ebenfalls mit einer evolutionären Weiterentwicklung: „Predictive Maintenance wird mehr Branchen erfassen“, ist sie überzeugt. In Zukunft werde PM nicht nur in der Luftfahrt und Prozessindustrie, sondern auch im Maschinenbau und in Endkundenprodukten wie Waschmaschinen, Kühlschränken und Klimaanlagen eine wachsende Rolle spielen.“
Außerdem erwartet sie einen Übergang von „Predictive Maintenance“ hin zu, Prescriptive Maintenance“: Das System ermittelt dann nicht nur den Zustand der Anlagen, sondern schlägt auch selbstständig Wartungsempfehlungen und Lösungen bei Anomalien vor. Auch die Klimaschutzdiskussion sorge für einen breiteten PM-Einsatz: „Wenn vorausschauende Wartung die Lebenszeit einer Anlage verlängert und ihren Energieverbrauch senkt, hilft das letztlich, CO2-Emissionen zu mindern“.
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Luisa Göhler
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