Was folgt auf die klassische Elektronik? Welche Technologien werden die Herausforderungen von morgen lösen?
- On 21. Februar 2024
Ein Gastbeitrag der Organic Electronics Saxony Management GmbH mit Beiträgen von Senorics, Freudenberg Industrie Siebdruck, Kundisch, JOANNEUM RESEARCH, Helmholtz-Zentrum Dresden – Rossendorf und dem INSTITUT FÜR TEXTILMASCHINEN UND TEXTILE HOCHLEISTUNGSWERKSTOFFTECHNIK der TU Dresden
Was folgt auf die klassische Elektronik? Welche Technologien werden die Herausforderungen von morgen lösen?
Jitka Barm, Projektkoordinator | Organic Electronics Saxony
Die organische, gedruckte und flexible Elektronik bietet zahlreiche Vorteile. Im Unterschied zur klassischen Elektronik können diese Bauteile ultradünn, extrem leicht, transparent, flexibel, dehnbar und großflächig hergestellt werden. Zudem sind sie robust und zeichnen sich durch eine hervorragende Umweltverträglichkeit aus.
Diese Eigenschaften eröffnen völlig neue Anwendungsbereiche und haben das Potenzial, das Design und die Funktionalität etablierter elektronischer Bauteile nachhaltig zu verändern. Gegenwärtig steht die Funktion der Bauteile im Vordergrund, doch die nächste Generation der Elektronik wird sich nicht mehr ausschließlich an Formen orientieren müssen, noch dazu an starren Formen. Stattdessen wird es möglich sein, maßgeschneiderte Bauteile zu entwickeln, die eine Flexibilität in ihrem weitesten Sinne bieten.
In Sachsen bündelt das Netzwerk Organic Electronics Saxony die innovativsten Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet und ist damit einzigartig in Europa. Als Leuchtturm der Branche ist das Netzwerk wegweisend für die Trends von morgen.
Organische Sensoren
Sensoren, die auf organischen Halbleitern und funktionalen Polymeren basieren, lassen sich hauptsächlich in zwei Gruppen einteilen: Optische Detektoren und gedruckte funktionale Systeme.
Die erste Gruppe der optischen Detektoren kann auf eine breite technologische Vorentwicklung im Feld der organischen Solarzellen zurückgreifen. Diese Sensoren zeichnen sich neben den allgemeinen Vorteilen der organischen Elektronik (Flexibilität, einfache Prozessierbarkeit, etc.) vor allem durch eine sehr hohe Quanteneffizienz, geringes Rauschen und spektrale Einstellbarkeit im Nah-Infrarot-Bereich (NIR) aus. Insbesondere der letzte Aspekt ist für zahlreiche Anwendungsfelder interessant.
Miniaturisierte Nahinfrarot-Detektor-Arrays (NIR) des Start Ups Senorics GmbH können mit hoher spektraler Auflösung integriert werden und stellen eine interessante Alternative zu kostenintensiven, anorganischen Indium-Gallium-Arsenid Photodetektoren dar. Diese Sensoren decken den gesamten “Finger-Print-Bereich“ ab und haben somit vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Materialanalyse (z.B. Umweltanalytik, Prozesskontrolle oder Agrartechnik). Neben diesen NIR-Sensoren werden auch organischen Photodetektoren für den sichtbaren Wellenlängenbereich und den Röntgen-Bereich entwickelt. Hierbei punkten beide Entwicklungen vor allem durch ihre Integrierbarkeit und Kompatibilität mit Herstellungsprozessen auf großen Flächen (z.B. Drucken).
Die zweite Gruppe organischer Sensoren ist die große Gruppe der gedruckten funktionalen Systeme. Die hierbei genutzten Sensorprinzipien haben nur teilweise einen direkten Bezug zu organischen Halbleitern, jedoch entwickelte sich dieses Technologiefeld aus der gedruckten organischen Elektronik heraus. Zu diesen gedruckten Sensoren zählen unter anderem
- Temperatursensoren
- Drucksensoren (Spannung, Dehnung, Scherung, Riss, statischer Druck)
- Feuchtigkeits-, Leitfähigkeits-, Magnetfeldsensoren, pH-Wert, Gas-Sensoren
- Biosensoren (Glucose, Corona).
Die Messung erfolgt meist durch eine einfache amperometrische bzw. voltammetrische Auswertung und durch die Nutzung der Drucktechniken lassen sich eine Vielzahl von Sensoren auf einer Folie integrieren.
Die Anwendungsbereiche dieser Sensorfolien sind nahezu grenzenlos. Sie könnten als einfache Teststreifen (z.B. Glucose, pH-Wert) im medizinischen oder umwelt-analytischen Bereich, als Dehnungsmessstreifen im Bau, für Qualitätsmonitoring im Nahrungsmittelsektor oder als implantierbare Sensoren genutzt werden. Viele Anwendungsfelder sind noch im Entstehen, aber durch die voranschreitende Entwicklung von IoT-Anwendungen, werden gedruckte Sensoren aus organischen Halbleitern in einigen Jahren aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sein.
Medizinische Anwendungen
Diese Innovation findet bereits Anwendung im Bereich körpernaher medizinischer Anwendungen. Durch den Einsatz von gedruckter, flexibler Elektronik können Funktionen wie Muskelstimulation, Muskelüberwachung und Wundheilung signifikant verbessert werden.
Freudenberg Siebdruck produziert solche Produkte in Dresden und vertreibt sie in Zusammenarbeit mit Partnern in ganz Europa.
Anwendung als Transparente Heizungen
Durch den Einsatz transparenter Heizungen lässt sich der Energieverbrauch in vielen Anwendungen erheblich senken, insbesondere in batteriebetriebenen Systemen. Diese innovativen Heizungen können direkt auf Oberflächen aufgebracht werden und gezielt dort wirken, wo sie benötigt werden. Beispielsweise können sie dazu dienen, Fenster von Sensorsystemen oder Kameras von Eis zu befreien. Dadurch bleiben Displays in Messgeräten selbst bei extrem niedrigen Temperaturen von unter -20°C funktionsfähig, und Verkehrs- sowie Mautkameras bleiben auch bei starkem Schneefall und Eisbetrieb einsatzbereit.
Kundisch hat sich auf die Verwendung transparenter elektrisch leitfähiger Materialien spezialisiert. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, nicht nur Heizungen, sondern auch Antennen in wirtschaftlich rentablen Mengen herzustellen, selbst bei kleinen Auftragsgrößen.
Forschung am JOANNEUM/PyzoFlex: „PyzoFlex®“
Seit Jahren widmet sich das Team von JOANNEUM RESEARCH/Materials intensiv den sogenannten ferroelektrischen Polymeren.
Ferroelektrische Polymere spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Umsetzung neuartiger Sensorsysteme. Ihre einfache und kostengünstige Verarbeitung und Herstellung machen sie äußerst attraktiv. Gleichzeitig bieten sie vielfältige Einsatzmöglichkeiten und sind skalierbar für spezifische Anwendungen.
Insbesondere die Technologie namens „PyzoFlex®“ hat bereits einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt.
PyzoFlex® Devices reagieren sehr dynamisch und hochsensitiv auf externe Stimuli wie Temperatur-, und Druckänderungen als auch Schwingungen. Diese Sensoren sind zudem sehr robust gegenüber Umwelteinflüssen, aufgrund des piezoelektrischen Effektes äußerst energieeffizient, hauchdünn (20µm + Substrat), in ihrer Größe und Form skalierbar, und können auf unterschiedlichste Trägersubstrate appliziert werden.
Ein unkompliziertes Funktionsprinzip, die einfache Herstellung mittels Druckprozessen, eine Kombination der Devices mit unterschiedlichen Schnittstellen / Signalverarbeitungselektroniken, sowie eine einfache Integration in zahlreiche eigenständige Objekte eröffnen diesem System vielseitige Einsatzmöglichkeiten. All diese Faktoren lassen die Technologie für die Realisierung neuartiger Sensorsysteme äußerst interessant erscheinen.
Anwendungen reichen von der Interaktion mit dem Menschen (HMI) über die Steuerung oder Überwachung unterschiedlichster mechanischer oder thermischer Parameter im industriellen Umfeld bis hin zum Monitoring von Körperfunktionen wie Atem- oder Pulsfrequenz.
Weitere Vorteile finden sich in der Kombination mit weiteren Sensortypen (Feuchtigkeit, Temperatur, etc.) und der Einsatzmöglichkeit des Systems zum „Energy Harvesting“ aus mechanischen und thermischen Quellen. Die dadurch gewonnene Energie kann beispielsweise für die Datenspeicherung oder zur Aktivierung von Sensornetzwerken bereitgestellt und genutzt werden.
variables Design und hohe Flexibilität – zwei Vorteile (von vielen) der PyzoFlex® Sensorfolien des JOANNEUM RESEARCH/Materials
Forschung am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM)
Textilien bieten eine große Vielfalt zur Herstellung und Bereitstellung flexibler und leichter Sensoren und Elektronik unter Beibehaltung der textilen Eigenschaften. So können Smart Textiles heizen, leiten, messen, Signale senden und empfangen und/oder leuchten. Hierfür können bereits heute leitfähige Garne (feine Metalldrähte, metallisierte Multifilamentgarne, elektroaktive Polymere) oder faserbasierte, flexible Sensoren bedarfsgerecht entwickelt werden. Die einfache Integration von Sensoren und leitfähigen Garnen in Textilien durch gängige textile Fertigungsverfahren eignet sich dabei besonders für die Anwendung in Faserverbundwerkstoffen, beispielsweise als Dehnungssensoren zur Strukturüberwachung und Schwingungsdämpfung von Composites sowie körpernahen Anwendungen, beispielsweise in Wearables oder Medizinprodukten. Hierbei sind besonders Textiltechnologien wie Stricken und Sticken prädestiniert, um elektrisch leitfähige Garne und Sensoren zu verarbeiten, um von einfachen elektrischen Trassierungen bis hin zu komplexen Schaltkreisen, vielfältige elektrische Funktionsstrukturen und textilbasierte in-situ-Sensorik zu realisieren.
So dienen am ITM entwickelte textile Sensoren zur Bestimmung des pH-Werts, der Temperatur, des Laktatgehalts und des Gehalts an Netzwerken aus extrazellulären Fasern (Neutrophil Extracellular Traps kurz NET-Gehalt) in einer sensorintegrierten Wundauflage zur Überwachung von Heilungsprozessen chronischer Wunden.
Neben diesen Beispielen für die Einsatzmöglichkeiten textiler flexibler Elektronik und Sensorik besteht in diesem Forschungsfeld ein hohes Entwicklungspotential. Im Excellenzcluster CeTi der TU Dresden wird z. B. an der Entwicklung von eGloves und eSuits zur Mensch-Maschinen-Interaktion und am ITM zur Entwicklung eines textilen triboelektrischen Generators (IGF TriGeFi) für Wearables geforscht. Aktuelle Forschungen (Graduiertenkolleg GRK2430 „interaktive Faser-Elastomer-Verbunde“) zielen auf die Entwicklung einer neuen Werkstoffklasse zur Integration von Sensoren und Aktoren in flexible Faserverbundwerkstoffe ab. Hierdurch sollen geometrische Verformungsfreiheitsgrade von mechanischen Bauteilen reversibel und berührungslos einstellbar werden, um so sehr schnell und präzise auf variable Anforderungen der Umwelt reagieren zu können. Diese innovativen Eigenschaften machen interaktive Faser-Elastomer-Verbunde für vielfältige Anwendungsfelder im Maschinen- und Fahrzeugbau, in der Robotik, Architektur oder Medizintechnik interessant.
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Luisa Göhler
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