
Die richtige Geschwindigkeit in der digitalen Dekade
- On 6. April 2022
Gastbeitrag | Autor: Christoph Goertz, Geschäftsführer | Speedsquare GmbH
Seit den letzten 2 Jahren wissen wir alle, was ein exponentielles Wachstum bedeutet. Die Kurve steigt zu Beginn nur sehr flach, aber dann auf einmal schießt die Kurve nach oben. Für viele Menschen ist es schwer sich vorzustellen, was die berufliche Veränderung im Kontext der digitalen Transformation konkret bedeutet. Die subjektive Wahrnehmung unserer eigenen persönlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit grenzen uns ein auf den Blick in die Zukunft.
Um besser zu verstehen, welchen Grad der Veränderung die digitale Transformation mit sich bringt, können wir uns vergegenwärtigen, dass die Digitalisierung bereits 300 Jahre Anlauf genommen hat: Im Jahre 1705 startete Hawksbee, ein Wissenschaftler aus dem Team Newton, die ersten Versuche zur Stromerzeugung durch händischen Kurbelbetrieb. Ganze 40 Jahre später gelang die Speicherung von Strom, mittels der sogenannten Leydenflasche. 1773 startet Cavendish Versuche mit Zitterrochen, Taucher erlitten Stromschläge, wenn sie diesen Tieren zu Nahe kamen, dies führte zu einer mehrere Jahrzehnte (!) andauernden Diskussion, ob es zwei Arten von Elektrizität gab: eine natürliche und eine tierische – heute unvorstellbar, nach einem damaligen kompletten Berufsleben stand die Erkenntnis, dass es lediglich eine einzige Elektrizität gibt. Der erste elektrische Motor 1831; das erste Telegraphenkabel im Atlantik 1866; dank (Nikola) Tesla wurde Chicago zur Weltausstellung 1893 mit elektrischem Licht ausgeleuchtet mittels Wechselstroms aus dem weit entfernten Kraftwerk in den Niagarafällen. Und so blickte Nikola Tesla kurz vor seinem Tod im Jahre 1943 aus seinem Hotelzimmer in New York auf das elektrisch beleuchtete Manhattan und sagte „Das ist die neue Welt – ich bin groß geworden in der alten Welt mit Dampfantrieb und Gas-Beleuchtung“.
Was bedeuten die letzten 300 Jahre für uns heute?
Die digitale Transformation in Deutschland und Europa in dieser Dekade, wird im Kontext der Arbeitswelt eine umstürzende Revolution hervorrufen – es wird nichts mehr so sein, wie es war. Wenn wir die Entwicklungen der letzten 300 Jahre interpolieren, können wir mindestens zwei Aspekte festhalten: Erstens, die Welt wird keine zeitraubenden „Zitterrochen Diskussionen“ erlauben und zweitens, eine „Neue Welt“ werden wir alle MITTEN IM beruflichen Leben erfahren – nicht wie (Nikola) Tesla AM ENDE des beruflichen Lebens. Die richtige Geschwindigkeit wird eine entscheidende Richtschnur in der digitalen Dekade sein, die über Erfolg oder Misserfolg und über Wohlstand eines ganzen Kontinents entscheiden wird.
Wie erlangen wir die richtige Geschwindigkeit?
Schauen wir uns das am Beispiel der Schlüsseltechnologie 5G an. Aus politischen und wirtschaftlichen Überlegungen hat die Europäische Kommission richtigerweise eine Strategie zur Einhaltung der digitalen und technologischen Souveränität in Europa ausgearbeitet. Das ist ein ambitioniertes Ziel, welches uns jedoch im Fall einer erfolgreichen Umsetzung zusätzlich in die Lage versetzen wird, einen beachtlichen europäischen Exportschlager für die Welt zu schaffen.
Um die richtige Geschwindigkeit zu erlangen, wird es entscheidend sein, was wir *nicht* machen. Wir werden also schneller, in dem wir bestimmte Dinge bewusst weglassen. Wir identifizieren Hürden, die uns am Vorrankommen hindern. Einige dieser Hürden versuchen wir erst gar nicht zu nehmen, sondern direkt zu eliminieren. Mit diesem Ansatz sind wir in der Lage uns vollkommen auf die entscheidenden Hürden zu fokussieren.
Schauen wir uns drei wichtige Bereiche an:
1 · Cybersecurity
Spätestens seit Trump wissen wir, wie es um die Bedeutung der Schlüsseltechnologie steht. 5G wurde zum Schlachtfeld der Auseinandersetzung zwischen den USA und China. Hierzu zählten Einschränkungen chinesischer Netzlieferanten beim 5G Ausbau zum einen, aber auch Exportverbote US-amerikanischer Technologien wie Endgerätechips oder das Android Betriebssystem von Google nach China zum anderen.
Mit der Hypothese, dass 5G eine Schlüsseltechnologie für zahlreiche Industrien sein wird, darunter auch kritische Infrastruktur, muss natürlich der Cybersicherheit eine hohe Priorität gegeben werden. Die Bedrohungen werden immer ausgefeilter und gleichzeitig bieten 5G-Netze aufgrund einer weniger zentralisierten Architektur, der intelligenten Rechenleistung am Rande des Netzes (Edge Computing), des Bedarfs an mehr Antennen und der stärkeren Abhängigkeit von Software aufgrund einer kontinuierlichen CI/CD Softwareentwicklung mehr potenzielle Einstiegspunkte für Angreifer. Deswegen hat die EU richtigerweise im Ergebnis einer erarbeiteten Toolbox auf einen geeigneten Prozess verwiesen und nicht auf das simple Blacklisting bestimmter Anbieter oder bestimmte Länder. Denn dies schließt auch Risiken ein, die mit Störungen aus einem Drittland über die 5G-Lieferkette im Zusammenhang stehen könnten.
Dass man diese Cybersicherheit Hürde zu einem frühen Zeitpunkt und schnell angehen kann, zeigte Oulu in Finnland: Im Rahmen eines 5G Cybersicherheit Hackathons wurde ein Campus Netz eines 5G Krankenhauses zur Verfügung gestellt „mit der Bitte zum Auseinandernehmen“ der prototypisierten Services und Endgeräte. Eine aktuelle open RAN Risikoanalyse des BSI bemängelt, dass die „aktuellen Entwicklungen der O-RAN Spezifikationen sich nicht an dem Paradigma von „Security/Privacy by Design/Default“ orientiert und auch die Prinzipien der mehrseitigen Sicherheit (minimale Vertrauenswürdigkeitsannahmen bezüglich aller Beteiligten) nicht berücksichtigt wurden“.
2 · Standardisierung vs. defacto Standards im neuen Ecosystem
Welche Rolle hat in Zukunft die Standardisierung im Kontext der 5G Technologie?
Wir stehen vor einem Wechsel vom Supplier-Driven-Market hin zum Demand-Driven-Market. Die Netzlieferanten in der alten Welt konnten nur das entwickeln und bereitstellen, was im Rahmen der Standardisierung spezifiziert war. Die Kunden haben also „von der Stange“ gekauft und konnten sich hierbei lediglich auf Optionen im Standard berufen. In der Standardisierung waren zwar sowohl die Betreiber als auch die Netzlieferanten vertreten, jedoch war die Ausarbeitung der Standards für neue Dienste ein langwieriger und schwieriger Prozess. Im Kern folgte das Ecosystem in dieser alten „GSM bis LTE“ Welt einer Erfolgsmetrik, mit der man sehr großen Erfolg hatte – man hat schließlich das weltweite mobile Internet, ermöglicht. Die Markteintrittsbarrieren waren hoch und erlaubten kleineren Anbietern, die lediglich Softwarekomponenten anbieten wollten, nicht in diesen Markt einzutreten. Zusammen mit den Lieferanten für Endgeräte und Chips bildeten die vier Gruppen einen in sich geschlossenen Kreis, wie oben links im Bild der Planetensysteme dargestellt.
© Speedsquare
Das neue „5G Edge Computing“ Ecosystem entwickelt sich zu einem Demand-Driven-Market. Die Standardisierung hat zwar die Hoheit über die Netzinfrastruktur, bestehend aus den sogenannten Network Functions, das schließt jedoch nicht alle Services ein. Insbesondere nicht die externen, denn das 5G Netz öffnet sich für externe Applikationen. Mit entsprechenden Lösungen kann eine Cloud-native Developer-orientierte Umgebung geschaffen werden. Das Potential das Developer Ecosystem anzusprechen und damit der Bedarfsseite alle Möglichkeiten zu geben ist immens und ein echter Game Changer.
Die großen Hyperscaler haben dieses Potential für sich identifiziert und sich bereits im Markt positioniert, z.B. Microsoft mit dem Zukauf von den Telekommunkationsunternehmen Metaswitch und Afirmed Networks. Des Weiteren lässt der vermehrte Einsatz von de-facto Standards wie Docker und Kubernetes und anderen Open Source Komponenten erkennen, dass sich die Rolle der Standardisierung verändert. Ein warnendes Beispiel sollte die Smart Home IoT Standardisierung sein: Nach Jahren intensiver Bemühungen mit immer weiteren IoT Standards wollte der Smart Home Markt nicht anziehen. Was dann im Dezember 2019 dazu führte, dass die drei großen Mega-Player Google, Apple und Amazon sich zusammengeschlossen haben und mit „Matter“ einen neuen Smart Home Standard entwickelt haben, der Developer-orientiert ist. Damit war klar, wer die Kundenschnittstelle abbildet und wer nicht.
Ein ebenfalls neues und wichtiges Element im neuen 5G Edge Ecosystem sind private 5G Netze. Jede Branche bzw. jede Industrie hat ihre eigenen Anforderungen an die 5G Technologie. 5G wird nicht die Industrie verändern, sondern die Industrie wird 5G verändern, gemäß ihren Anforderungen.
3 · Fehlende Expertise und Skills der Mitarbeiter
Die Tatsache, dass wir uns mit 5G & Edge in einem Demand-Driven-Market befinden erfordert auf der Bedarfsseite entsprechende Expertise und Skills die Anforderungen zu formulieren. Der Kunde muss befähigt werden die Frage „woher weiß ich, was ich brauche?“ zu beantworten – und das in der richtigen Geschwindigkeit.
Die Europäische Kommission hat IKT Kompetenzen als eine der vier wichtigsten Säulen für die Digitale Dekade bestimmt. Dabei wird der Bedarf an IKT Experten auf 20 Millionen im Jahre 2030 beziffert. Um die erforderliche Anzahl von ICT Spezialisten in der EU27 bis 2030 zu erreichen, bedarf es von heute an zusätzliche 11,5 Millionen ICT Experten. Mehr als 70 % der Unternehmen nennen als Investitionshindernis einen Mangel an Personal mit geeigneten digitalen Kompetenzen. Zur Bewältigung dieser Herausforderung sind umfangreiche Investitionen in die Weiterbildung und Umschulung der heutigen Arbeitskräfte erforderlich.
Die Speedsquare GmbH ist eine Akademie für Technologien, Veränderung und Geschwindigkeit in der digitalen Dekade. Unternehmen aus dem Mittelstand und der Industrie bietet die Speedsquare Lösungsbausteine in Form von Online- und Offlinekursen und befähigt ihre Mitarbeiter, die Potentiale für ihr Unternehmen zu identifizieren und in der richtigen Geschwindigkeit umzusetzen. Hierbei wird ein ganzheitlicher Ansatz aus Wissensvermittlung, Beratung und Coaching angewendet, der sich auf eine führende 5G Industrieexpertise und der Erfahrung eines Speedboat-Innovationsprojekts beim erfolgreichen Aufbau eines 5G & Edge Computing Startups im Silicon Valley für die Deutsche Telekom stützt.
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Kontakt
CHRISTOPH GOERTZ
Geschäftsführer | Speedsquare GmbH
christoph.goertz@speedsquare.com
+49 221 – 17924748
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Luisa Göhler
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