

Gastbeitrag
Subfab360 ATC: Wie Co-Innovation die Halbleiterindustrie nachhaltiger macht

March 20, 2025
Daten
Co-Innovation
Digitalisierung
In der ressourcenintensiven Mikroelektronikbranche ist Effizienz entscheidend. Doch lange Zeit blieb die Sub-Fab, die Versorgungs- und Entsorgungsebene von Halbleiterwerken, ein "Blind Spot". Das Dresdner Software-Startup algorismic hat mit Unterstützung von DevBoost die herstellerunabhängige Softwarelösung "Subfab360 ATC" auf den Markt gebracht. Diese ermöglicht es, Maschinen und Anlagen in der Sub-Fab flexibel und ressourcenschonend zu steuern – ohne teure Nachrüstungen. Langzeittests zeigen beeindruckende Einsparungen von bis zu 68 % bei Wasser, Strom, Chemikalien und Brenngas. Mit dieser nachhaltigen Lösung bringt algorismic Transparenz und Effizienz in die Mikroelektronikwelt und setzt neue Maßstäbe für Umweltschutz und Ressourcenschonung.
In unserem Interview geben Stefanie Hammer und Tobias Nestler spannende Einblicke in ihr gemeinsames Innovationsprojekt, das zeigt, wie technologische Lösungen und Zusammenarbeit echten Mehrwert schaffen.

StefanieHammer
General Manager
algorismic

TobiasNestler
CEO
DevBoost
Wie kam der Kontakt zwischen algorismic und dem Smart Systems Hub zustande, und was waren die ersten Herausforderungen, die ihr gemeinsam angegangen seid?
Stefanie: Seit 2022 verfolgte DAS mit der Automatisierung Dresden GmbH (ADG) das Ziel, in Co-Kreation ein Geschäftsmodell auf Basis eines gemeinsamen IIoT-Anwendungsfalls für Halbleiter-Subfabs zu entwickeln. Die zentrale Herausforderung bestand darin, diese komplexe und multidisziplinäre Aufgabe zu bewältigen. algorismic wurde bald darauf gegründet und der Smart Systems Hub konnte in einer entscheidenden Phase der Unternehmensgründung dabei unterstützen, eine starke Partnerschaft aufzubauen. Zum Zeitpunkt der Zusammenarbeit im Jahr 2023 war ich noch Mitarbeiterin der DAS Environmental Expert GmbH (DAS) und kannte den SSH von verschiedenen Netzwerkveranstaltungen. Schon damals begeisterten mich die Methodenkompetenz des Hubs im Bereich agiler Projektarbeit und da wir nur sehr wenig Zeit hatten, unser Vorhaben umzusetzen, war ich froh, mir kompetente Hilfe an Bord holen zu können.
Der Smart Systems Hub hat algorismic mit einem eintägigen Workshop zur Geschäftsmodellentwicklung unterstützt. Welche Erkenntnisse oder Impulse aus diesem Workshop waren für die Weiterentwicklung von Subfab360 ATC besonders wertvoll?
Stefanie: Der Workshop des Smart Systems Hub war für uns sehr wertvoll, da wir unser Wertangebot klarer definieren konnten und verschiedene Erlösmodelle gemeinsam ausarbeiteten. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auch gerade mein Studium für digitale Geschäftsmodellinnovationen beendet und konnte dadurch Theorie und Praxis wunderbar miteinander verknüpfen. Wir nahmen uns viele Impulse für die nächste Phase unserer Entwicklung mit und der Workshop ermöglichte uns, die Interessen aller Akteure für den gemeinsamen Geschäftsauftritt zu berücksichtigen.
Wie hat sich das Geschäftsmodell von algorismic im Laufe der Zeit konkret weiterentwickelt, und welchen Einfluss hatte die Zusammenarbeit mit dem Hub darauf?
Stefanie: Das Geschäftsmodell von algorismic hat sich seit der Gründung in 2023 kontinuierlich weiterentwickelt. Anfangs konzentrierten wir uns ausschließlich auf die Entwicklung und Optimierung der Software in Zusammenarbeit mit ADG und einem Halbleiterhersteller aus Dresden. Ein wichtiger Meilenstein war der erste öffentliche Auftritt von algorismic beim 18. Silicon Saxony Day 2024. Dies markierte den Beginn einer stärkeren Marktpräsenz mit der Vorstellung von algorismic im Rahmen der Semicon Taiwan und Semicon Europa. Wir vergrößerten unser Team von anfangs 9 Mitarbeitenden auf mittlerweile 15 Personen. Die Zusammenarbeit mit dem Smart Systems Hub spielt insofern eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells, als dass wir bei gemeinsamen Kundenprojekten von der starken Methodenkompetenz von SSH im Rahmen der Umsetzung Co-Innovationsformaten profitieren; immer mit dem Ziel, bei unseren Kunden in überschaubarer Zeit einen signifikanten Nutzen im Bereich von Energieeinsparung und CO2-Reduzierung zu erzeugen. Es ist wichtig, dabei alle mitzunehmen und darin ist der SSH wirklich spitze.
Subfab360 ATC wurde gemeinsam mit mehreren Partnern entwickelt. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen algorismic, DevBoost und weiteren Unternehmen gestaltet?
Stefanie: Die Kooperation war ein hervorragendes Beispiel für die Stärke des Silicon Saxony Netzwerks. Wir erkannten das Potenzial der Software der ADG und holten DevBoost für eine gründliche technische Analyse des Systems an Bord. Tobias Nestler und sein Team prüften die Softwarelösung intensiv auf Qualität, Architektur und Funktionalität und trugen damit maßgeblich zum Zustandekommen der Partnerschaft bei.
Zusätzlich waren DAS und ein großer Halbleiterhersteller in Dresden von Anfang an involviert. Diese branchenübergreifende Zusammenarbeit ermöglichte es uns, eine zuverlässige, herstellerunabhängige und hocheffiziente Open-Source-Lösung für die Steuerung von Subfab-Geräten zu entwickeln, die erhebliche Ressourceneinsparungen bietet.
Tobias, DevBoost hat die Softwarequalität und Sicherheit analysiert – welche Herausforderungen gab es dabei, und welche Erkenntnisse waren für die Weiterentwicklung besonders wichtig?
Tobias: Unsere Aufgabe war es, die Softwarelösung der ADG genau zu analysieren und hinsichtlich Risiken der Weiterentwicklung und des Betriebs zu bewerten. Dies umfasste Qualitätskriterien der Architektur, des Softwarecodes sowie der Art und Weise wie Systemfunktionalitäten entwickelt, getestet und dokumentiert werden. Hierbei gilt es unterschiedliche Perspektiven zu betrachten. Wurden etablierte Standards der Softwareentwicklung eingehalten? Verbergen sich Risiken im aktuellen Zustand des Softwaresystems, müssen z.B. größere Investitionen getätigt werden, um Sicherheit oder Funktionalität zu gewährleisten? Welche Technologien wurden eingesetzt und wie aufwändig werden sich künftige funktionale Anpassungen gestalten?
Die Herausforderung einer solchen Analyse ist, in kurzer Zeit die wesentlichen Strukturen eines über Jahre gewachsenen Softwaresystems zu durchsteigen und Schwächen bzw. Risiken schnell zu antizipieren. Hierfür hilft uns unsere Erfahrung vieler solcher Bewertungen, aber auch die dabei aufgebaute Methodik im Vorgehen. Mittels Fragenkatalogen, Code-Reviews und gemeinsamen Workshop-Sessions konnten wir so die notwendigen Erkenntnisse in kurzer Zeit erarbeiten, gemeinsam offen diskutieren und bewerten.
Die Ergebnisse der technischen Analyse brachten die gewünschte Bestätigung für die algorismic den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.
Stefanie, ihr habt mit Subfab360 ATC eine ressourcenschonende Lösung für die Sub-Fab geschaffen. Welche Einsparungen konnten konkret erzielt werden, und welche Rolle spielt Open Source dabei?
Stefanie: Insgesamt erreichten wir bei unseren Langzeittests Einsparungen von bis zu 68% bei Brenngas, Strom, Druckluft, Lauge, Kühl- und Frischwasser. Dies führte zu einer erheblichen Senkung der Betriebskosten und einer deutlichen Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz.
Die Open-Source-Basis unserer Software spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie ermöglicht uns, eine herstellerunabhängige Lösung anzubieten, die sich nahtlos in bestehende IT-Fabsysteme integrieren lässt. Dies gewährleistet Flexibilität und einfache Anpassung an verschiedene Subfab-Umgebungen, unabhängig von Größe oder Alter der Anlagen.
Das System wurde bereits erfolgreich in einem Dresdner Halbleiterwerk getestet. Welche Learnings gab es aus diesem Praxiseinsatz, und wie fließen diese in die Weiterentwicklung ein?
Stefanie: Zunächst einmal war es von entscheidender Wichtigkeit für uns, die Funktionalität und Flexibilität unseres Systems unter realen Bedingungen zu demonstrieren. Die enge Zusammenarbeit mit dem Halbleiterwerk ermöglichte es uns, tiefe Einblicke in die täglichen Herausforderungen und Bedürfnisse der Anwender*innen zu gewinnen. Diese direkte Rückkopplung aus der Praxis ist unbezahlbar für die Weiterentwicklung von Subfab360 ATC. Sie hilft uns, die Lösung noch effizienter und benutzerfreundlicher zu gestalten, um Halbleiterherstellern weltweit eine zuverlässige, herstellerunabhängige und hocheffiziente Steuerung zu bieten. Ich persönlich wurde darin bestärkt, dass eine intensive Projektvorbereitung, abgestimmte und eine realistische Zielsetzung zu Beginn des Projektes für den Projekterfolg absolut entscheidend sind. Eine starke Kommunikation über den gesamten Projektverlauf und regelmäßige Reviews helfen zudem dabei, dass alle Projektmitglieder dauerhaft am Ball bleiben.
Wie seht ihr die zukünftige Entwicklung der Sub-Fab-Technologien? Könnte Subfab360 ATC ein Standard für ressourcenschonende Steuerungssysteme werden?
Stefanie: Ich sehe großes Potenzial für Subfab360 ATC, sich als Standard für ressourcenschonende Steuerungssysteme in Sub-Fabs zu etablieren. Die Halbleiterindustrie legt zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und Effizienz, was unsere Lösung direkt adressiert.
Unsere Open-Source-Basis und Herstellerunabhängigkeit ermöglichen eine flexible Integration in verschiedene Systeme, was für die breite Akzeptanz entscheidend ist. Die erfolgreichen Praxistests in Dresden haben die Effektivität von Subfab360 ATC unter realen Bedingungen bewiesen.
Natürlich liegt noch Arbeit vor uns, aber wir sind zuversichtlich, dass unser System einen wichtigen Beitrag zur ressourcenschonenden Zukunft der Halbleiterproduktion weltweit leisten kann. Die Unterstützung durch das Netzwerk des Smart Systems Hub und das positive Feedback aus der Industrie bestärken uns auf diesem Weg.
Welche Vorteile seht ihr in der Co-Innovation? Könnte dieses Modell auch für andere Technologien oder Unternehmen wegweisend sein?
Stefanie: In unserem Konsortium lag der große Vorteil der Co-Innovation in klar verteilten Rollen und Aufgaben. Alle Parteien konnten sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und schnell voneinander lernen. Dadurch war es möglich in kurzer Projektzeit einen Proof of Concept direkt beim Kunden zu erarbeiten und gleichzeitig an der Geschäftsentwicklung zu arbeiten. Die Geschwindigkeit und gleichzeitig Flexibilität aller Parteien war beeindruckend. Es hat dafür aber auch sehr viel Abstimmung und enges Projektmanagement erfordert.
Tobias: Das Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen bringt bei guter Orchestrierung der Partner einen großen Geschwindigkeitsvorteil. Auch lernen die beteiligten Partner voneinander und bilden so neue Sichtweisen und Kompetenzen aus. Wir bei DevBoost kreieren daher diese Co-Innovationsansatz in all unseren Beratungs- und Entwicklungsvorhaben. Die Schaffung neuer Entwicklungsstandards, Engineering-Prozesse oder auch ganzer Softwaresysteme passiert bei uns aus genau diesem Grund in enger, tagtäglicher Zusammenarbeit mit unseren Kunden.
Welche Tipps würdet ihr anderen Unternehmen geben, die ebenfalls durch Co-Innovation und Netzwerkpartnerschaften nachhaltige Lösungen entwickeln wollen?
Stefanie: Es ist wichtig, neben einem guten Produkt auch ein exzellentes und mutiges Netzwerk am Start zu haben. Es gibt sehr gute Unterstützungsstrukturen für Unternehmensgründungen und Fördermittel. Aber im Kern braucht man erst einmal einen erfolgreichen Proof of Concept.
Danach muss der volle Fokus auf der Kommerzialisierung und Teambildung liegen. Für alle diese Aufgaben braucht es ein breites Spektrum an Fachkompetenz, wahnsinnig viel Kommunikation und Risikobereitschaft. Sucht euch unbedingt erfahrene Mentor*innen dafür.
Tobias: Es braucht eine klare Rollenverteilung. Welcher Partner hat das Problem und ist in der Lage, dies konkret zu benennen? Welcher Engpass soll gelöst werden? Passend dazu braucht es dann Partner, die komplementäre Erfahrung und Expertise mitbringen. Diese Partner zusammenzubringen bedarf guter Kommunikation und Methodik mit Schwerpunkt auf ein iteratives Vorgehen und schnelles Feedback der adressierten Anwender. So kann Co-Innovation zu nachhaltigen Lösungen führen, die am Markt bestehen.
Das Gespräch mit Stefanie Hammer und Tobias Nestler zeigt eindrucksvoll, wie durch Co-Innovation konkrete Herausforderungen in der Halbleiterindustrie angegangen werden können – von Effizienzsteigerungen bis hin zu mehr Nachhaltigkeit. SubFab360 und ATC machen vor, wie stark partnerschaftliche Zusammenarbeit wirkt, wenn technologisches Know-how, Prozessverständnis und ein gemeinsames Ziel aufeinandertreffen.
Ein Erfolgsbeispiel, das nicht nur die Branche inspiriert, sondern auch zeigt, wie wichtig offene Innovationsprozesse für die Industrie der Zukunft sind.
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